Bobbel sind der neue Wolltrend. So scheint es zumindest. Die Angebote werden immer umfangreicher und auch große Wollfirmen versuchen jetzt mitzumischen. Deshalb möchte ich hier eine kleine Serie rund um Bobbel schreiben.
Bobbel – Wolltrend (Was ist ein Bobbel, welche Qualitäten gibt es, worauf sollte man achten)
Bobbel – Zwirnen (Wie mache ich aus einem gefachten ein gezwirntes Garn)
Bobbel – Stricken (Tipps zu Stricknadeln, Mustern etc.)
Bobbel – Der Erfinder der Bobbel (1985- der „Bobbel“ wird geboren)
(Hinweis: dieser letzte Post zu Bobbelgarn ist umfangreich und voraussichtlich werde ich noch Ergänzungen machen)
Bitte anklicken: Beispiele für den Colcoton Farbverlauf gibt es hier und hier.
Meines Wissens wurden die Farbverlaufsbobbel im Jahr 1985 hier in Beyenburg erfunden. Und zwar war der Erfinder der Bobbel der Besitzer der Firma WGF (Wuppertaler Garnbleicherei und Färberei, vormals Hasenclever und Hüser), Herrn Wolfgang Hasenack. Die Firma färbte Garne für die Industrie und Colcoton Unikat war dann der die „Handarbeitsgarn Sparte“ der Firma.
Die Bobbel im Farbverlauf von 100 Farbspiele kamen also erst wesentlich später auf den Markt. Und zu dem Zeitpunkt gab es auch den Begriff Bobbel noch nicht.
Und es wurden nicht nur die Farbverlaufsbobbel erfunden, sondern direkt ein ganzes System dahiner, die Colcoton Unikat Colorthek mit dem entsprechenden Twister (Zwirnmaschine). Der Twister wurde extra für das System entwickelt und in einer Firma in Radevormwald hergestellt.
Foto Colorthek und Twister (Bitte auf das Foto klicken zum Vergrößern)
Weitere Fotos:
http://www.filoeuvre.com/qui-suis-je (etwas runterscrollen)
http://www.filoeuvre.com/catalog/15/filvenne
http://www.wol-zo-eerlijk.nl/echte-unikat/
Wie funktioniert nun dieser Twister?
Es wurden 3 bis 9 Konen mit 50 g Fassungsvermögen auf den Twister aufgesetzt. Dieser hatte einen Stromanschluss und drehte sich also elektrisch. Die Konen hatte an der Unterseite eine spezielle Form, so dass sie eingerastet werden konnten. Der Faden wurde durch eine spezielle Führung gespannt und dann auf einen Wollwickler von Hand aufgewickelt. Damals wurden noch überwiegend Pullover und Jacken gestrickt. Es wurden also 4 oder 5 Knäuel mit Farbverlauf gewickelt, für Vorderteil(e), Rückenteil und Ärmel. An dem Twister selber war ein Zählwerk angebracht. Man berechnete vorher wann man eine Farbkone wechseln musste oder hielt sich dafür an Anleitungen.
Anleitungen wurden in dem Designstudio von WGF Colcoton Unikat entwickelt (für das ich auch Modelle gestrickt habe). Es wurden mehrere eigene Zeitschriften mit Anleitungen erstellt. Außerdem gab es Werbung in den gängigen Handarbeitszeitschriften sowie ab und an auch dort Modelle. Ebenso hab es einen Stand auf der Handarbeitsmesse (Fachbesuchermesse) in Köln.
Foto eines Modells aus einer damaligen Zeitschrift der Firma WGF (ich habe nachgefragt, diese Fotos dürfen gezeigt werden). Diesen und den nächsten Pullover habe ich damals gestrickt. Man sieht die sanften Farbübergänge des Farbverlaufs. Den Sternenpullover hatte ich nach einer Skizze gestrickt und konnte ihn später erwerben. Das ist schon etwa 25 Jahre her
Wie man sehen kann, bestand (und besteht weiter bei Venne) das Colcoton Unikat System zunächst aus kleinen Konen mit jeweils 50 g Garn. Diese gab es in einer unglaublichen Farbenvielfalt, 100 Farben, und in vielen Garnqualitäten: merzerisierte Baumwolle (Programm 7) in allen und und reine Schurwolle (Programm 4) in nahezu Farben der Farbpalette. Gekämmte Baumwolle (Programm 8), Baumwoll-Schurwollmischung (Programm 6), Alpaka aus Chile, reine Schappseide (Programm 9) und Mohair (Programm 2). Ich habe das große Glück, noch einen Farbfächer aus den frühen 90igern in meinem Besitz zu haben (siehe Foto oben).
Geliefert wurden an die Geschäfte jeweils 500 g, also 10 Konen, die auf einem Blistertablett steckten. Man konnte diese Tabletts problemlos übereinander stapeln. Leere Konen und Blistertabletts wurden zurückgenommen un wiederverwendet.
Hier sind noch meine kleinen Restbestände von Colcoton Unikat Kidmohair und einem mittlerweile farblich veränderten Blistertablett zu sehen.
Colcoton Unikat war also ein geniales System, um Farbverläufe aus hochwertigen Garnen herzustellen. Lediglich das Mohair hatte 25% Polyamid-Beimischung, sowie Glitzer-Beilauffäden aus Synthetik, alle anderen Garne waren reine Naturgarne. Ab Mitte der 80iger und bis Mitte der 90iger war das eher ungewöhnlich. Man konnte die verschiedenen Garnqualitäten auch auf dem Twister mischen, z.B. auch eine Mischung aus Schurwolle und Alpaka erstellen usw.
Kinderpullover, die ich für meine Kinder entworfen hatte und dann auch für die WGF Zeitschrift in Colcoton Unikat nachgestrickt hatte.
Beyenburgpullover, mein Entwurf aus dem Jahr 1990, gestrickt mit Colcoton Unikat Garnresten aus der Restekiste im Designstudio
Der Strickboom, der Anfang der 80iger eingesetzt hatte, hielt leider nicht an. Da half es auch nicht, ein geniales Farbverlaufsgarn-System erfunden zu haben. Mitte der 90iger gab WGF die colcoton Unikat Sparte an die Firma Bender in Holland ab, die es dann 1997 an Venne weitergab. Immerhin existiert bei Venne das Colcoton System weiter. http://www.vennecolcoton.com/catalogus/garens_Yarns_Garne.html Aber es ist noch nicht wieder zu der Bekanntheit gelangt, die es in den 90iger Jahren hatte. Und es ist schwierig, ein Geschäft zu finden, dass noch die gesamte Colorthek anbietet. Die Firma Venne spezialisiert sich eher auf Webgarne und bietet daher Colcoton Unikat eher für den Webbereich ein. Zum Teil findet man ein kleines Angebot auch in Läden für Klöppelzubehör.
Die Firma WGF gibt es leider nicht mehr. Die wohl berühmteste Färbung, die je in dieser Firma gefärbt wurde, ist die Installation von Christo „The Gates“ im Central Park in New York.
Schade, dass der Bobbel-Boom nicht einige Jahre früher kam. WGF hätte sicherlich traumhafte Farben für die Bobbelwickelei färben können. Und es gab die Kontakte, an extrem hochwertige Rohgarne zur Färbung zu gelangen. Das würde den heutigen Markt eindeutig noch bereichern.
Vielen Dank an Herrn Wolfgang Hasenack, der mittlerweile 90-jährig nun in der schönen Oberlausitz wohnt, mit dem ich einen netten Email Kontakt hatte um noch einige Fakten zu erfragen.